KulTours-Zeitgeschichte: Paul von Hindenburg (1847-1934)

Eine fragwürdige Hindenburg-Biographie von Wolfram Pyta

Die Befürworter einer Umbenennung von Hindenburg-Straßen und -Plätzen berufen sich fast ausschließlich auf eine Hindenburg-Biographie von Wolfram Pyta aus dem Jahre 2007. Fachleute stellen jedoch die Bewertung Hindenburgs durch Pyta in Frage.

Die Zeitung Die Welt beurteilt dieses Buch sehr kritisch. In der Rezension auf Welt-online vom 20.1.2008 heißt es: "Und was die eingangs erwähnten 'neuen Fragestellungen' angeht, so haben sie den Verfasser insgesamt dazu animiert, ein Bild über Paul von Hindenburg zu zeichnen, das alles in allem doch eher als fragwürdig gelten muß. ... Was der so enttarnte Hindenburg aber mit der historischen Erscheinung tatsächlich zu tun hat, wird möglicherweise erst dann erkennbar werden, wenn der Nachlaß des Generalfeldmarschalls und Reichspräsidenten einmal zur Verfügung stehen wird."

Wolfram Pytas Buch kann also wohl kaum als Maßstab für die Bewertung Hindenburgs gelten.

Namhafte Historiker und Journalisten zeichnen ein anderes Bild von Hindenburg

Zahlreiche weitere Autoren bewerten Hindenburg sehr viel positiver als Wolfram Pyta - darunter so prominente Historiker wie Werner Maser oder der 2006 verstorbene Hitler-Biograph Joachim C. Fest.

"Tatsache ist, dass sich Hindenburg in seiner Eigenschaft als Reichspräsident im Januar 1933 wie ein guter Demokrat verhalten hat, indem er den Chef der stärksten Partei zum Kanzler ernannte und mit der  Regierungsbildung beauftragte. Hätte er nach seinem Herzen gehandelt, das Parlament aufgelöst und den Kaiser wieder eingesetzt, wäre Deutschland viel erspart geblieben, aber man würde ihn heute erst recht als Antidemokraten schmähen und in den Orkus des Vergessens stoßen. Dass er ein von Freund und Feind hochgeachteter Heerführer im Ersten Weltkrieg war, schlägt heute und hierzulande ebenfalls ausschließlich zu seinen Ungunsten aus. Man kann dieses Land, jenseits aller salbungsvollen Zivilgesellschafts-Rhetorik, wohl nur aus der Perspektive der totalen Niederlage und deren noch totalerer Verinnerlichung begreifen, inclusive jener rudelbildenden Maulhelden, die sich ausschließlich an toten oder absolut ungefährlichen Gegnern abarbeiten und sich dafür gegenseitig Couragepreise verleihen." (Michael Klonovsky, Leiter des FOCUS-Debattenressorts)

Der prominente US-Historiker William S. Lind hält die Umbenennung von Hindenburgstraßen und -plätzen für "unhistorisch und ungerecht". In einem Zeitungsinterview vom 14.9.2012 warnt er vor einer schleichenden Ideologisierung der Gesellschaft durch solche Umbenennungen. Diese ziele darauf, die Menschen von ihren Bindungen zur Vergangenheit abzutrennen und ihnen so die Basis zu nehmen, auf derer sie die Gegenwart beurteilen könnten. Paul von Hindenburg habe für die Deutschen seiner Zeit eine große Bedeutung gehabt. Dies solle man respektieren. Hindenburg schlicht als „problematisch“ zu betrachten und deshalb einen nach ihm benannten Platz in Münster umzubenennen, sei „unhistorisch und ungerecht“, so Lind. „Die Leute damals waren nicht einfach alle Rechtsextreme, sondern lebten in einer anderen Zeit und in einer anderen Welt. Und tatsächlich haben sie meist Großartiges geleistet, ja sie haben schließlich erst die Entwicklung unserer heutigen Welt möglich gemacht“, erklärt der Militärhistoriker. Die Vorstellung, die Vergangenheit heute nachträglich - beispielweise durch Platz-Umbenennungen - korrigieren zu können, sei Ausweis ideologischen Denkens. Dabei gehe es um die Reprogrammierung unserer Erinnerung. Hingegen sei „ein Bekenntnis dazu, die Vergangenheit so anzunehmen, wie sie nun mal historisch war, ein Ausweis für Freiheit“, erklärt Lind. Der amerikanische Militärhistoriker William S. Lind publizierte zahlreiche Bücher und Zeitungsbeiträge, unter anderem in der Washington Post, New York Times, Los Angeles Times und der Zeitung des US-Marinekorps, der Marine Corps Gazette.

Viele Argumente gegen eine Umbenennung von Hindenburgstraßen und -plätzen - bitte anklicken! Lesen Sie zu diesem Thema auch einen aktuellen Artikel aus der Zeitschrift "Westfalium":

Für Tradition oder für Geschichtslosigkeit? Mehr zu diesem Thema hier.

Prof. Dr. Götz Aly, einer der bedeutendsten deutschen Historiker, bezeichnet ideologisch motivierte Straßenumbenennungen als "billige Rechthaberei". Mehr zu diesem Thema lesen Sie hier:

Die meisten Veröffentlichungen, welche sich mit Hindenburg beschäftigen, sagen ganz klar, daß Hindenburg die demokratische Weimarer Republik gestützt habe. Er wurde gar als "Hüter der Verfassung" bezeichnet und hoch geschätzt. 1932 wählten ihn auch die Sozialdemokraten zum Reichspräsidenten. Sie trauten Hindenburg am ehesten zu, die immer mehr erstarkenden radikalen Kräfte der Republik unter Kontrolle zu halten.

Nach den letzten freien Reichstagswahlen im November 1932 war die NSDAP erneut - trotz Stimmenverlusten - mit großem Abstand die stärkste Fraktion im Reichstag geworden. Die Mehrheit lag bei den klar antiparlamentarischen Parteien KPD, NSDAP und DNVP. Der renommierte "Illustrierte Ploetz" stellt die politische Situation Ende Januar 1933, zum Ende der kurzen Regierungsphase Kurt von Schleichers, kurz und knapp so dar: "28. Januar 1933: Schleicher tritt als Reichskanzler zurück, nachdem Hindenburg seine Diktatur abgelehnt hat. Danach bleibt nur die Möglichkeit einer Regierungsbildung durch Hitler."

Zu berücksichtigen ist immer auch, daß Hindenburg die schwierige politische Situation jener Tage als ein Mensch im Alter von 85 (!) Jahren bewältigen mußte - mithin ein Jahr vor seinem Tode.

Bevölkerung und Stadtverwaltungen fast überall klar gegen Umbenennung von Hindenburgstraßen und -plätzen

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Artikel unter dem Titel "Nicht alle Städte streiten über Hindenburg" aus der Online-Ausgabe der Westfälischen Nachrichten vom 2.7.2011. Die Zeitung hatte recherchiert, wie andere Städte und Gemeinden in der jüngeren Vergangenheit mit dem Straßennamen Hindenburg umgegangen sind. Hier zeigte sich, daß die Argumente gegen Hindenburg offenbar wenig plausibel sind.  

In Mainz, Andernach, Schleswig, Bonn, Ulm, Kiel, auf Sylt und in Buchholz wurden die Umbenennungen klar abgelehnt - bzw. waren gar nicht erst ein Thema.

In Weinstadt/Baden-Württemberg wird die Hindenburgstraße ebenfalls nicht umbenannt. Das beschloss im Juni 2012 der Gemeinderat. Auch in Emmerich-Elten sieht man viele Argumente für die dortige Hindenburgallee.

Die Hindenburgstraße in Landau/Pfalz wird genauso ihren Namen behalten. Das beschloss am 12.10.2012 mit großer Mehrheit der Stadtrat.

In Waldkirch/Baden wird die Hindenburgstraße - laut Gemeinderatsbeschluss vom 25.1.2013 - nicht umbenannt.

In Hamburg-Winterhude bleibt der Name der Hindenburgstraße ebenfalls - wie im Februar 2013 entschieden wurde.

Auch die Hindenburgstraße in Biberach behält nach Beschluss des Stadtrates vom 4.3.2013 ihren Namen.
Lesen Sie hier: 

In Bad Tölz wird es wohl ebenfalls beim Namen "Hindenburgstraße" bleiben.  Lesen Sie hier:

Auch der Name der Hindenburgstraße in Coburg wird nicht geändert. Das hat der Stadtrat am 21.3.2013 mit klarer Mehrheit entschieden. Lesen Sie hier:

In Garmisch-Partenkirchen haben die Einwohner in einem Bürgerentscheid vom 21.4.2013 zu fast 90 % gegen eine Umbenennung der dortigen Hindenburgstraße gestimmt. Damit bleibt sie auch in Garmisch-Partenkirchen erhalten.

17.5.2013: Eine Mehrheit im Ortsbeirat Trier-Mitte-Gartenfeld will am Namen "Hindenburgstraße" festhalten. Nur formale Gründe haben in der jüngsten Sitzung den entsprechenden Beschluss verhindert. Dies will der Ortsbeirat im Juni nachholen.

17.7.2013: Eine überwältigende Mehrheit der Bürger im niederrheinischen Voerde (ca. 40.000 Einwohner) lief Sturm gegen einen Beschluss des Stadtrats, wonach die Hindenburgstraße - ein Teilstück der Bundesstraße 8 - in Willy-Brandt-Straße umbenannt werden solle.
Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg war Reichspräsident in der Weimarer Republik und bislang das einzige, direkt vom Volk gewählte Staatsoberhaupt in Deutschland.
Eine Bürgeriniative setzte sich für die Beibehaltung des bisherigen Namens “Hindenburgstraße”  ein und erwirkte nach einer erfolgreichen Unterschriftensammlung (Bürgerbegehren), auf das der Stadtrat jedoch abschlägig reagierte, einen amtlichen Bürgerentscheid, also eine kommunale “Volksabstimmung” in Voerde.
In diesem Bürgerentscheid stimmten 92,6% der Teilnehmer für die Hindenburgstraße, also gegen die Ratsentscheidung: 8966 Ja-Stimmen bei 710 Nein-Stimmen.
Eine herbe Schlappe für den Stadtrat, der den Bürgerwillen so massiv mißachtet hatte (Quelle: http://charismatismus.wordpress.com/category/hindenburg-platz-munster-etc/

Auch diese Einzelthemen könnten Sie interessieren (bitte anklicken): 

CDU Münster: Junge Union für Hindenburgplatz

Münster, Hindenburgplatz: Der manipulierte Bürgerentscheid

Hindenburgplatz: Bürgerentscheid kostet 285.000 Euro

SPD unterstützte Hindenburg als Bollwerk gegen Hitler

Münster, Straßennamen-Debatte: Manipulation durch OB Lewe?

Münster: "Informationen und Dokumente zu Straßennamen" in der Kritik

Münster: CDU-Fraktion kritisiert Informationen zu Straßennamen

Zweifelhafte Ausstellung "Ehre, wem Ehre gebührt" in Münster

Münster, Straßennamen: Fiasko für Thamer, Kenkmann und Lewe


Wesel und Voerde:  Bürger gegen Umbenennung der Hindenburgstraße



Ausarbeitung: Detlef Suhr, Agnes-Miegel-Straße 42, 26188 Edewecht