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Aktuelles über die Dichterin Agnes Miegel (1879-1964) von Detlef Suhr, Pressesprecher der literarischen Agnes-Miegel-Gesellschaft e. V.

  

Vom Unsinn politisch motivierter Straßenumbenennungen

„Heute benennen wir Straßen oder Schulen mit unserem heutigen Wissen und unserer heutigen Moral“ - so war es kürzlich in einem Kommentar über Umbenennungen aus politischen Gründen zu lesen. Wohlgemerkt: Politische Gründe. Es geht nicht um Verbrecher, die nachweislich anderen Menschen geschadet haben. Es geht um solche Fälle, wo Personen, die als Namensgeber von Straßen fungieren, sich in einem früheren politischen System scheinbar nicht nach unseren heutigen Moralverständnis verhalten haben. Oder - wie es jemand anders formuliert hat - um Personen, die in unserer heutigen Gesellschaft nicht als politisches Vorbild dienen können. Das klingt ja zunächst sehr gut.

Aber was ist denn der Hintergrund von Straßenbenennungen? Steht dabei stets die politische Haltung eines Menschen im Vordergrund? Ist die bedeutendste ostpreußische Dichterin Agnes Miegel wegen ihrer politischen Einstellung im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, während der NS-Zeit und in der Bundesrepublik als Namensgeberin für zahlreiche Straßen ausgewählt worden? Wohl kaum. Sie wurde ausgewählt, weil sie eine bedeutende Schriftstellerin war. Mithin gilt sie als die bedeutendste deutsche Balladendichterin im 20. Jahrhundert.

Wenn die politisch-moralische Vorbildfunktion wirklich die Maßgabe unseres Handelns bei der Benennung von Straßen sein soll, wie ist es dann zu erklären, dass es vielerorts Straßen gibt, die nach dem Komponisten Richard Wagner benannt sind? Niemand würde auf den Gedanken kommen, eine Richard-Wagner-Straße umzubenennen, obwohl der Komponist gleichzeitig einer der bekanntesten und überzeugtesten Antisemiten des 19. Jahrhunderts war. Richard Wagner gehört aber zu den bedeutendsten Komponisten, welche die Musikgeschichte zu bieten hat. Dafür wird er zu Recht geehrt - mag er auch vielleicht ein unsympathischer und, aus heutiger Sicht, politisch bedenklich handelnder Mensch gewesen sein. So war es völlig richtig, dass der Dirigent Daniel Barenboim (selbst jüdischer Herkunft) sich dafür einsetzte, die Werke Richard Wagners auch in Israel aufzuführen - und dieses gegen alle Widerstände durchsetzte.

Oder nehmen wir den als so fortschrittlich geltenden Dichter und Zeichner Wilhelm Busch. In seiner Bildergeschichte Plisch und Plum findet sich in mehreren Zeichnungen geradezu der Archetyp des hässlichen Juden, dazu folgender Text: Augen schwarz und Seele grau, Hut nach hinten, Miene schlau - So ist Schmulchen Schievelbeiner, (Schöner ist doch unsereiner!).
Nach der Argumentation jener, die bei der Straßenbenennung eine politisch-moralische Vorbildfunktion voraussetzen, müßten Wilhelm-Busch-Straßen umgehend umbenannt werden, denn die offenbar judenfeindlichen Äußerungen sind wohl kaum mit „unserer heutigen Moral“ in Einklang zu bringen. Straßen wurden nach Wilhelm Busch aber wegen seiner genialen literarischen und zeichnerischen Werke benannt. Daß er antisemitische Tendenzen zeigt, weist ihn lediglich als Kind seiner Zeit aus.

Im übrigen muß man nach den Gesamtauswirkungen solcher Straßenbenennungen nur bei Vorbildcharakter der namensgebenden Person fragen. Würden etwa alle prominenten Namensgeber in ganz Europa, die im 19. Jahrhundert eine antisemitische Haltung gezeigt haben, aussortiert werden, so müßten wohl die meisten Straßenbenennungen dieser Zeit geändert werden. Man kann das natürlich tun. Es bedeutet aber, daß viele der bedeutendsten Kulturschaffenden nicht mehr geehrt und dem Vergessen anheim gegeben werden. Das wäre der Weg hin zu einer geschichtslosen Gesellschaft, die auch auf die Erinnerung an viele ihrer bedeutendsten Gestalten aus Kunst und Literatur verzichtet.

Agnes Miegel hat sich übrigens nie antisemitisch geäußert oder die Herabsetzung politisch Andersdenkender betrieben.


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Einzelnachweise, Quellenverzeichnis 



Vollständige Agnes-Miegel-Dokumentation



Ausarbeitung: Detlef Suhr, Agnes-Miegel-Str. 42, 26188 Edewecht