Agnes Miegel: Kenkmann und Thamer mit gravierenden Fehlern Münster: Die bisher vorliegenden Ergebnisse
der "Kommission Straßennamen", betreffend die Agnes-Miegel-Straße,
stützen sich im Wesentlichen auf die Aussagen der Historiker Prof. Dr.
Hans-Ulrich Thamer und Prof. Dr.
Alfons Kenkmann, die als wissenschaftliche Berater der Kommission
fungieren.
Ihre Aussagen über die bedeutendste ostpreußische Dichterin Agnes
Miegel zeigen eine Vielzahl von
inhaltlichen Fehlern, die Auslassung wichtiger Fakten, eine mangelhafte
Kenntnis
des Werkes der Dichterin und insgesamt eine tendenziöse, völlig
einseitige
Darstellung. Darüber hinaus stützen sich Kenkmann und Thamer u. a. auf
Quellen, die in der Fachwelt als
unseriös und unwissenschaftlich gelten. Auch die Darstellung des
Reichspräsidenten der Weimarer Republik Paul von Hindenburg durch
Thamer und
Kenkmann ist sehr fragwürdig.
Die Liste der Mängel ist lang: Bei der
Präsentation der
historischen Bewertung Agnes Miegels durch Alfons Kenkmann während der
4.
Sitzung der Kommission Straßennamen am 15. Juni 2011 im Hotel Kaiserhof
beginnt
dieser zwar mit einer korrekten Aussage, als er die Dichterin als
"Droste
Ostpreußens" bezeichnet. In der Tat fühlte sich Agnes Miegel der
Dichterin Annette von Droste-Hülshoff besonders verbunden und
wesensverwandt.
Dann versteigt sich Kenkmann jedoch zu der Behauptung: Sie
(Agnes Miegel)
zeigte große Zustimmung und Unterstützung des NS-Regimes. Einen
Beleg
dieser Behauptung bleibt er schuldig. Er "vergißt" zu
erwähnen, daß Agnes Miegel einen jüdischen Freundeskreis hatte, sich
nie
antisemitisch oder rassistisch äußerte und niemals gegen politisch
Andersdenkende agitiert
hat.
Bei der Nennung der Mitgliedschaft der Dichterin im Vorstand der Deutschen Akademie der Dichtung der Preußischen Akademie der Künste ab 1933 verschweigt Kenkmann, daß es sich hier nicht um aktives Handeln der Dichterin zum Zwecke des Erwerbs der Mitgliedschaft gehandelt hat, sondern um eine Berufung in diese renommierte und traditionsreiche Institution. Agnes Miegel hat diese verantwortungsvolle Position nie in irgendeiner Weise mißbraucht. Erwähnt werden auch die Preise und Auszeichnungen, welche
Agnes Miegel
während der NS-Zeit erhalten hat. Damit will Kenkmann offensichtlich
seine
These von der "NS-Dichterin Agnes Miegel" doch noch retten. Er
vergißt dabei u. a., daß auch Literaturnobelpreisträger Gerhart
Hauptmann in
die "Gottbegnadetenliste" aufgenommen wurde. Soll dieser nun auch der
Verdammnis anheimfallen? Den wichtigsten Punkt verschweigt Kenkmann
völlig - nämlich die Tatsache, daß Agnes Miegel auch schon während des
Kaiserreiches, in der Weimarer Republik und später dann in der
Bundesrepublik
Deutschland mit wichtigen Literaturpreisen bedacht wurde. Im Jahre 1961
beehrte
sie sogar der damalige SPD-Kanzlerkandidat Willy Brandt mit einem
Besuch an
ihrem Alterswohnsitz in Bad Nenndorf. Die Tatsache, daß Agnes Miegel
1957 und
1961 für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen wurde, belegt - wie der
Besuch
Willy Brandts - ihre außerordentliche Bedeutung für die Aussöhnung
zwischen
Deutschen und den ehemaligen Kriegsgegnern im Osten sowie ihre wichtige
Rolle
bei der Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen in die junge
Bundesrepublik Deutschland. Gewissermaßen geadelt wird Agnes Miegel
auch durch
den bedeutendsten deutschen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, der
einige
Balladen der Dichterin zu den wichtigsten Werken deutscher Literatur
rechnet.
Miegel-Verehrer
Willy Brandt mit großem Rosenstrauß zu Besuch im Haus der Dichterin in
Bad
Nenndorf, Juli 1961
Was die drei "Weihegedichte" Agnes Miegels an den
"Führer" anbelangt, so unterschlägt Kenkmann ebenfalls das
Entscheidende: Zunächst handelte es sich um Auftragswerke für die
NS-Führung
mit vorausgesetzten Lobsprüchen auf Hitler. Welche Konsequenzen eine
Verweigerung solcher Aufträge in der NS-Diktatur haben konnte, muß hier
wohl
nicht gesondert erwähnt werden. Die tatsächliche Einstellung der
Dichterin ist
einem dieser Gedichte aber ebenfalls zu entnehmen. Es enthält nämlich
kritische Ausblicke auf das nahende Ende des NS-Regimes
mit geradezu unerhörten, mutigen Vorhersagen von Weltenbrand und
Untergang:
Wenn
aus deinem First die Flammen steigen
wird
des weißen Mannes Welt entbrennen
wenn
sich deine Sonnenfahnen neigen
sinkt
die Nacht über das Abendland!
(aus Dem Schirmer des
Volkes, 1939)
Diese Textstelle wird von Kenkmann bezeichnenderweise nicht
erwähnt. Solche
Untergangs-Visionen finden sich übrigens in etlichen Werken der
Dichterin
während der NS-Zeit:
Noch vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion,
prophezeit Agnes Miegel in einem Sammelband des Diederichs-Verlages
auch den
bevorstehenden Verlust ihrer Heimat Ostpreußen:
Und
so sage ich jetzt, wo der Abschied näher kommt zu dem Land zwischen
Weichsel
und Memel, wie der Samurai zu der edlen Braut, der er sich vor dem
Schrein
seiner Ahnen verlobt: ich vermähle mich dir für die nächsten vier
Inkarnationen.
Eine
Vorahnung der Flüchtlingsströme aus dem
"Ostland" zeigt etwa die Ballade Nachtgespräch (An Heinrich
den Löwen) aus dem Jahre 1940:
.....
Ich
höre es fern, ich höre es bang,
wandernder
Füße rastlosen Gang.
Hör
Hufe klopfen und Räder knarren,
hör
wieder Wagen an Wagen fahren -
durch
der blassen Schneenacht Dämmerung
klingt
wieder der Ruf der Wanderung! -
Ostwind
trägt mir ihr Rufen zu,
Ostwind
weckt mich aus steinerner Ruh --
O
großes Herz, das gelassen trug,
was
Leid und Neid ihm an Wunden schlug , -
vernimm
deines Ostlands versinkenden Ruf,
du,
der es erschuf!
.....
Weltenbrand,
Verlust der Heimat, deutsche Flüchtlingsströme - sieht so Propaganda
für den "Größten Feldherrn aller Zeiten" aus?
Daß Kenkmann diese Texte nicht erwähnt, ist entweder seiner tendenziösen Darstellung oder seiner mangelnden Kenntnis des Werkes der Dichterin geschuldet. Für die Erstellung ihrer Empfehlung haben Kenkmann und Thamer die international bedeutendste Miegel-Expertin und -Biographin Frau Dr. phil. Marianne Kopp aus Stadtbergen nicht konsultiert. Das macht den unwissenschaftlichen Charakter ihrer Empfehlung endgültig deutlich. Die drei angeblichen "Weihegedichte" sind übrigens in einen Gesamtzusammenhang von über 200 Gedichten und ebenso vielen Prosatexten einzuordnen, die in keiner Weise mit der NS-Ideologie in Verbindung gebracht werden können - auch dieser wichtige Hinweis fehlt bei Kenkmann. Eine schlichte Unwahrheit ist dann Kenkmanns Aussage, daß sich Agnes Miegel nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches als "unbelehrbar" erwiesen habe. In einem Brief an ihre spätere Biographin Anni Piorreck vom 31.8.1946 aus dem dänischen Flüchlingslager Oksböl äußerte die Dichterin all ihre Hoffnung auf ein gewandeltes, moralisch handelndes und bescheidenes neues Deutschland: ... zum ersten Mal auch faßte ich neuen Lebensmut durch die Gewißheit, daß da für Euch Jüngere und Eure Kinder aus aller Unrast und aller Not dieser Zeit ein neues besseres Deutschland aufwächst, ein kleines armes, aber nicht verarmtes Deutschland, wo jeder Willige seine Arbeit und sein Brot finden wird .... Ach möchte sich für alle ein Weg finden, an dem Aufbau dieses bescheiden gewordenen Deutschlands mitzuarbeiten. Damit hatte sich Agnes Miegel eindeutig von den Verhältnissen des NS-Staates distanziert. Revanchistische und revisionistische Gedanken lagen Agnes Miegel fern. In einem Brief an die Schriftstellerin Ina Seidel aus dem Flüchtlingslager Oksböll vom 8. 8.1946 schreibt sie: Ein Teil meines Herzens starb, als ich von Ostpreußen ging. Nur manchmal erwacht etwas. Und als ich neulich hörte (ach, vielleicht wars auch bloß ein Gerücht), daß viele hundert russische Jungbauern hin sollen, habe ich zum erstenmal vor Freude geweint - dann geht doch wieder ein Pflug über die wüsten Felder, in den leeren Dörfern werden Menschen wohnen, Kinder geboren werden, zwischen den Wiesen und Äckern spielen, Vieh wird brüllen, Hähne werden krähn - und die Erde wird leben. Ein Skandal ist es, daß Kenkmann das Entnazifizierungverfahren der Dichterin im Jahre 1949 mit keinem Wort erwähnt. Es entschied: „Frau Dr. h.c. Miegel ist entlastet. (Kategorie V)“ und erläutert, sie kann „nicht als Unterstützerin der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft angesehen werden, da sowohl Motive wie Handlungen niemals NS-Geist verraten haben. Das wird von allen Zeugen bestätigt und ist zudem allgemein bekannt.“ Agnes Miegel distanzierte sich zeitlebens von jeglicher Parteipolitik und propagierte einzig die Maximen der Menschlichkeit. Thamer und Kenkmann greifen bei ihrer "Historischen Einschätzung" der Dichterin vor allem auf das Kulturlexikon zum Dritten Reich des Journalisten Ernst Klee (veröffentlicht 2007) zurück. Sein Buch wurde von der Kritik als "geistiges Armutszeugnis" verrissen. Die Welt schreibt in einer Rezension vom 2.3.2007 u. a.: "Dieses Buch ist mehr als ein Ärgernis. Es ist ein geistiges Armutszeugnis, ein Skandal und eine Schande .... Ein Skandal für den S. Fischer Verlag, der dieses Machwerk im Grunde sofort einziehen und radikal revidieren lassen müßte .... Lang ist die Liste gravierender Mängel, etwa im Bereich der Germanistik. Sie zeugen von profunder Unkenntnis der Fakten, Hintergründe und Zusammenhänge." Vernichtender kann eine Buchkritik nicht sein. Es ist völlig unverständlich, daß die Münsteraner Wissenschaftler sich bei ihrer Arbeit auf ein solches "Machwerk" berufen. Es ist höchste Zeit, daß sich die Ratsmitglieder der Stadt Münster von den in jeder Hinsicht fragwürdigen Empfehlungen der Herren Thamer und Kenkmann distanzieren und diese nicht länger als eine Grundlage ihrer Entscheidungsfindung betrachten. Warum man sich überhaupt auf einen für den Steuerzahler vermutlich sehr kostspieligen Einsatz dieser Historiker eingelassen hat, ist nicht nachvollziehbar. Schließlich gelten weder Thamer noch Kenkmann als ausgewiesene Miegel-Kenner. Bezeichnend ist, daß seit Februar 2011 fast alle Versuche, Agnes-Miegel-Straßen umzubenennen, gescheitert sind. Beispiele sind Bottrop, Mainz-Finthen, Sankt Augustin, Bergkamen-Oberaden, Gronau, Goslar-Hahndorf, Bergisch Gladbach-Refrath, Bohmte, Söhlde, Herzberg, Bad Essen und Ostercappeln, wo sich die Stadt- und Gemeinderäte gegen die Umbenennung entschieden haben. Die Literaturwissenschaftler und Historiker der literarischen Agnes-Miegel-Gesellschaft mit Sitz in Bad Nenndorf, welche sich teilweise schon seit Jahrzehnten mit Leben und Werk der Dichterin auseinandersetzen, hätten - im Unterschied zu Kenkmann und Thamer - sicher eine qualitätvolle, sachlich fundierte und objektive Empfehlung auf breiter und seriöser Datenbasis und unter Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse erarbeitet. Bedeutendstes Agnes-Miegel-Buch wieder erhältlich Im Jahre 2011 verweigerte der Ardey-Verlag aus
Münster die
weitere Verbreitung des Buches "Agnes Miegel. Ihr Leben, Denken und
Dichten
von der Kaiserzeit bis zur NS-Zeit", die bisher wohl beste Darstellung
dieses Themas. Die bedeutendsten Miegel-Kenner weisen hier
wissenschaftlich
fundiert nach, daß man nicht von einer "NS-Dichterin Agnes Miegel"
sprechen kann. Die Verweigerung, das Buch weiter zu verbreiten (nachdem
bereits
Hunderte von Exemplaren ausgeliefert worden waren) hing wohl mit der
Umbenennungskampagne in Münster zusammen. Herausgeberin und
Literaturwissenschaftlerin Dr. Marianne
Kopp
verklagte daraufhin den Verlag wegen Vertragsbruches. Inzwischen wurde
in einem
Vergleich vor dem Landgericht Münster festgelegt, daß der Verlag die
zurückgehaltene
Restauflage unverzüglich freigeben und alle Rechte an der Vermarktung
des
Buches an die Herausgeberin zurückgeben muß. Der Verlag hat zudem den
Großteil
der Kosten der Rechtsauseinandersetzung zu tragen. Jetzt ist das
Buch wieder
erhältlich - und zwar direkt über die literarische
Agnes-Miegel-Gesellschaft,
Agnes-Miegel-Platz 3, 31542 Bad Nenndorf, T.: 05723-917317.
Auch die Darstellung des Reichspräsidenten der Weimarer Republik Paul von Hindenburg durch Kenkmann und Thamer ist mit erheblichen Mängeln behaftet. Mehr zu diesem Thema hier: Auch
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Ausarbeitung: Detlef Suhr, Agnes-Miegel-Str. 42, 26188 Edewecht |