Stellungnahme
und Gutachten der Agnes-Miegel-Gesellschaft in Bad Nenndorf: Die
Dichterin Agnes Miegel während des Kaiserreiches, in der Weimarer
Republik,
unter der NS-Herrschaft und in der Bundesrepublik Deutschland Als
um
1900 in Berlin Börries von Münchhausen die handschriftlichen Gedichte
und
Balladen von Agnes Miegel liest, erkennt er sogleich: Dies ist eine
der ganz
großen Dichterinnen unseres Volkes. Agnes Miegel ist der größte lebende
Balladendichter unseres Volkes. So erscheint durch Münchhausens
Vermittlung
1901 ihr erstes eigenes Buch - ein Band mit Gedichten und Balladen -
bei dem
ehrwürdigen Klassiker-Verlag Cotta. Agnes Miegel wurde im
Kaiserreich (1916:
Kleist-Preis) und während der Weimarer Republik (1924: Ehrendoktorwürde
der
Universität Königsberg) hoch geschätzt. Ihre
politische Toleranz kommt anschaulich in einem Brief an Lulu von Strauß
und
Torney aus dem Jahr 1923 zum Ausdruck. Sie empfindet negativ die immer
krasser deutschnationale Haltung der Zeitung, für die sie
arbeitet, und
wenn auch viele der Menschen, die sie am höchsten achte rechts
stehen würden, so muß sie doch bekennen: ...ich stehe innerlich
nicht zu
ihrer Sache, wie sie sich auswuchs. Und sie bemerkt: Links
steht neben
vielem, was mir fremd ist, doch das, dem die Zukunft gehört. (1) Die während der
Weimarer Republik bedeutendste deutsche Balladendichterin wurde 1933 in
die
Sektion der Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste berufen.
Damit war
zwangsläufig auch ein Treueid auf Hitler verbunden. Der bekannte, nicht
parteigebundene Schriftsteller Hans Grimm beschrieb
ihre Mitgliedschaft 1949 wie folgt: Sie war einer von den
Senatoren, nicht
etwa von den Gnaden der Partei, sondern gewählt von einem Gremium von
Schriftstellern, davon ein Fünftel der Partei äußerlich angehörte aus
Idealismus und Hoffnung. Der mühsame Versuch der Akademie, das deutsche
Geistesleben frei und unabhängig zu erhalten, hatte ihre überzeugte
Billigung.
(2) 1940 erhielt Agnes Miegel den Goethepreis der Stadt
Frankfurt und
wurde 1944 in die sogenannte „Gottbegnadetenliste“ der sechs
wichtigsten
deutschen Schriftsteller aufgenommen - übrigens zusammen mit
Literatur-Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann. Das
literarische Werk und die Korrespondenz der ostpreußischen Dichterin
sind frei
von Rassismus und Antisemitismus - jene Elemente, ohne die
nationalsozialistische Gewaltherrschaft und Holocaust nicht denkbar
sind. Auch
die Herabsetzung politisch Andersdenkender findet sich an keiner
Stelle. (3) Sie schrieb
einige
wenige Gedichte im Auftrag des Reichspropagandaministeriums. Welche
Konsequenzen
die Verweigerung solcher Gefälligkeitsarbeiten in der NS-Diktatur
haben
konnte, braucht hier wohl nicht näher erläutert zu werden. Trotzdem
gelingt es
Agnes Miegel, sich Freiräume zu verschaffen. So sagt sie in dem Gedicht
Dem
Schirmer des Volkes aus dem Jahre 1939, das zwar auch die von
Goebbels
erwarteten Elogen an Hitler enthält, nichts Geringeres als den nahenden
Weltenbrand und Untergang voraus: Wenn
aus deinem First die Flammen steigen wird
des weißen Mannes Welt entbrennen wenn
sich deine Sonnenfahnen neigen sinkt
die Nacht über das Abendland! Ein
Jahr später, also noch vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion,
prophezeit Agnes Miegel in einem Sammelband des Diederichs-Verlages
auch den
bevorstehenden Verlust ihrer Heimat Ostpreußen: Und
so sage ich jetzt, wo der Abschied näher kommt zu dem Land zwischen
Weichsel
und Memel, wie der Samurai zu der edlen Braut, der er sich vor dem
Schrein
seiner Ahnen verlobt: ich vermähle mich dir für die nächsten vier
Inkarnationen. (4) Propaganda
für den "Größten Feldherrn aller Zeiten" sieht anders aus. Die
Behauptung, Agnes
Miegel sei eine „bekennende Verehrerin Adolf Hitlers“ gewesen, ist -
vor dem
Hintergrund dieses äußerst pessimistischen Blickes der Dichterin in die
Zukunft - mehr als gewagt. Auch als „literarisches Aushängeschild des
NS-Regimes“ taugte sie damit nicht. Eine
"Hinwendung zu Blut-und-Boden-Themen", wie zuweilen behauptet, gibt es
bei Agnes Miegel nicht. Sie hatte ihren Stil, der stets geprägt war
durch die
Liebe zu ihrer Heimat Ostpreußen, schon lange vor der Machtergreifung
der Nazis
entwickelt. (5) Agnes
Miegel wurde übrigens erst 1940 - wie weit unter politischem Druck? -
Mitglied
der NSDAP. Das spricht wohl eher für eine weitgehend unpolitische
Haltung der
Dichterin. (6) Die Mitgliederzahl der NSDAP belief sich bereits 1939
auf 8,5
Millionen - darunter natürlich auch Tausende Prominente. Die
Dichterin pflegte während des "Dritten Reiches" und in der
Nachkriegszeit eine freundschaftliche Beziehung zu Anneliese Goerdeler.
Sie war
die Ehefrau von Carl Friedrich Goerdeler, eine der zentralen Gestalten
des
Widerstandes gegen Hitler. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli
1944
wurde er verhaftet und von den Nazis hingerichtet. (7) Innerhalb
ihrer freundschaftlichen Verbindungen verwendete Agnes Miegel nie den
"Deutschen Gruß". Wenn sie mit "Offiziellen" ein wenig
bekannter war, bestellte sie herzliche Grüße
oder Gott ergebenen Gruß - obwohl der "Hitlergruß" die für
alle verpflichtende Grußform in der Zeit der NS-Diktatur war. (8) Es
steht fest, daß Agnes Miegel zeitlebens eine gläubige Christin war und
auch in
den Jahren 1933-45 nie von der Kirche und ihrem Calvinistischen Glauben
abrückte
oder gar Zugeständnisse machte. (9) Die Zukunft erschien ihr
vorherbestimmt.
Ihre auch veröffentlichten Vorahnungen der drohenden Katastrophe (s.
o.) bestärkten
sie in dieser Vorstellung. Nach
1945 schlug die Stunde der "Wendehälse", die im Rahmen ihrer
Entnazifizierungsverfahren behaupteten, eigentlich immer schon gegen
den
Nationalsozialismus gewesen zu sein. Agnes Miegel verweigerte sich
einer solch
verlogenen "Instant-Entnazifizierung". (10) Die Deutschen der NS-Zeit
schienen ihr als von Gott alleingelassen. In dem Gedicht 1945
heißt es: Gott
hat sein Antlitz abgewandt/Von unserem Heimatland. Sie glaubte
deshalb, das
Geschehene mit ihrem Gott „klären“ zu müssen: Dies habe ich mit
meinem
Gott alleine abzumachen und mit niemand sonst. Die
schließlich 1949 erfolgte Entnazifizierung Agnes Miegels brachte ein
eindeutiges Urteil: Unbelastet. Wörtlich heißt es: Sowohl
Motive wie
Handlungen haben niemals NS-Geist verraten. (11) Nach
dem Ende des NS-Regimes äußerte Agnes Miegel in einem Brief an ihre
spätere
Biographin Anni Piorreck vom 31.8.1946 aus dem dänischen
Flüchlingslager Oksböl
all ihre Hoffnung auf ein gewandeltes, moralisch handelndes und
bescheidenes
neues Deutschland:
...
zum ersten Mal auch faßte ich neuen Lebensmut durch die Gewißheit, daß
da für
Euch Jüngere und Eure Kinder aus aller Unrast und aller Not dieser Zeit
ein
neues besseres Deutschland aufwächst, ein kleines armes, aber nicht
verarmtes
Deutschland, wo jeder Willige seine Arbeit und sein Brot finden wird
.... Ach möchte
sich für alle ein Weg finden, an dem Aufbau dieses bescheiden
gewordenen
Deutschlands mitzuarbeiten. (12) Damit
hatte sich Agnes Miegel deutlich vom Nationalsozialismus distanziert
und dem
„neuen besseren Deutschland“ zugewandt. Revanchistische
und revisionistische Gedanken lagen Agnes Miegel fern. In einem Brief
an die
Schriftstellerin Ina Seidel aus dem Flüchtlingslager Oksböll vom 8.
8.1946
schreibt sie: Ein Teil meines Herzens starb, als ich von Ostpreußen
ging.
Nur manchmal erwacht etwas. Und als ich neulich hörte (ach, vielleicht
wars
auch bloß ein Gerücht), daß viele hundert russische Jungbauern hin
sollen,
habe ich zum erstenmal vor Freude geweint - dann geht doch wieder ein
Pflug über
die wüsten Felder, in den leeren Dörfern werden Menschen wohnen, Kinder
geboren werden, zwischen den Wiesen und Äckern spielen, Vieh wird
brüllen, Hähne
werden krähn - und die Erde wird leben. (13) An
ihrem Alterswohnsitz in Bad Nenndorf (seit
1948) versuchten ehemalige BDM-Führerinnen immer wieder, sich um die
inzwischen
alte Dichterin zu kümmern, welche damals in schwierigen finanziellen
Verhältnissen
lebte. Wie aus Briefen Agnes Miegels hervorgeht, war diese organisierte
Fürsorge
der Dichterin eher unangenehm, und sie versuchte immer wieder
abzuwinken.
In
verschiedenen Veröffentlichungen ist nachzulesen, Agnes Miegel habe
nach 1945
"Exklusivbeiträge" für die stark rechtslastige Zeitschrift Nation
Europa verfasst. Eine Forschungsarbeit aus dem Jahre 2010 widerlegt
diese
Aussagen vollständig: In den Ausgaben der Zeitschrift finden sich
lediglich
wenige Nachdrucke von Agnes Miegel-Gedichten aus damals schon längst
publizierten Gedichtbänden. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die
Dichterin
selbst Kontakt mit der Zeitschriften-Redaktion hatte. (14) Auch
in der Bundesrepublik erhielt Agnes Miegel höchste Ehrungen. So wurde
ihr 1959
der renommierte Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Künste
verliehen.
1957 hatte Alfred Döblin den Preis erhalten. An ihrem Alterswohnsitz in
Bad
Nenndorf bei Hannover empfing sie viele prominente Besucher und
Verehrer aus
Literatur und Politik, darunter im Juli 1961 Willy Brandt, damals
Kanzlerkandidat der SPD und Regierender Bürgermeister von Berlin. 1969
wurde
die literarische Agnes-Miegel-Gesellschaft in Bad Nenndorf gegründet.
1979
erschien eine Briefmarke der deutschen Bundespost mit dem Konterfei der
Dichterin. Für
den wohl wichtigsten deutschen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki
gehören
mehrere Balladen Agnes Miegels zum Kanon lesenswerter
deutschsprachiger Werke
- also zu den herausragenden Werken deutscher Literatur. (15)
Agnes Miegel
gilt als die größte Dichterin Ostpreußens im 20. Jahrhundert und als
die
wichtigste deutsche Balladendichterin ihrer Zeit. Eine
Umbenennung von Agnes-Miegel-Straßen ist nach dem aktuellen
Forschungsstand
sachlich in keiner Weise mehr zu rechtfertigen. Die
Agnes-Miegel-Gesellschaft
lehnt daher solche Bestrebungen ausdrücklich ab. Dr.
phil. Marianne Kopp, Stadtbergen (1.
Vorsitzende der literarischen Agnes-Miegel-Gesellschaft, Bad Nenndorf)
Detlef
Suhr, Edewecht (Agnes-Miegel-Gesellschaft) 23.1.2011
Einzelnachweise:
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